Praktisches Lernen in ganz Europa – mit EUCAM

Mithilfe eines prozessbegleitenden Lernsystems konnten bei DaimlerChrysler in Mannheim vor einigen Jahren 300 Arbeitsplätze gerettet werden, wie Michael Ehrke, Verantwortlicher für Bildungsfragen im Vorstand der IG Metall, erzählt. „Damals zeichnete sich ab, dass die Kabelfertigung für das Unternehmen in Mannheim nicht mehr rentabel ist, und wir haben es geschafft, innerhalb von 6 Wochen 300 Kollegen für die Motorenfertigung umzuschulen.“ Dabei half ein sogenanntes  Produktionslernsystem (PLS).

Anstelle von theoretischem Unterricht in Seminaren lernten die Beschäftigten die neuen Arbeitsschritte eigenständig direkt an ihren Arbeitsplätzen. Dies geschah mit Hilfe von Computer-Terminals, die über ein Intranet verbunden sind, und an den Arbeitsplätzen der Benutzer aufgestellt werden. In diesem System ist das gesamte Produktionswissen eines Fertigungsbereichs lernerorientiert aufbereitet. Die Arbeiter können dann ihren Lernfortgang eigenständig und flexibel gestalten. Sie werden dabei von sogenannten Lernbegleitern unterstützt. Produktionslernsysteme  werden aber nicht in erster Linie in Notsituationen eingesetzt.

Die IG Metall betrachtet PLS als eine sehr gute Möglichkeit, die in den Tarifverträgen vereinbarte Qualifizierung von Arbeitnehmern umzusetzen. Andererseits könne damit das „Kontinuierliche Verbesserungswesen“ (früher Betriebliches Vorschlagswesen genannt) noch profitabler werden, da der einzelne Arbeitnehmer nicht nur lerne, seinen Arbeitsplatz zu beherrschen, sondern auch die anderen Prozessschritte in seiner Gruppe. Schließlich könne er mit PLS einen Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette erhalten.
Seit dem Jahr 2005 bemühen sich besonders die IG Metall und DaimlerChrysler, PLS auf ein europäisches Niveau zu heben. Beim Überwinden der dabei entstehenden Sprachbarrieren hilft ihnen nun die Language Technology Centre Ltd (LTC) aus London. Diese Firma wurde 1992 von der Deutschen Adriane Rinsche gegründet. Mithilfe der Technologie von der Insel wurde aus dem PLS das mehrsprachige Lernsystem EUCAM. EUCAM steht für Mulitilingual Communication in European Car Manufactoring und ist ein ganzheitliches Lernsystem für die gesamte Wertschöpfungskette. Dabei soll eine gemeinsame Lerninfrastruktur mehrsprachig genutzt werden. „Die Möglichkeit der Mehrsprachigkeit soll die interkulturelle Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Produktionsstandorten in Europa verbessern“, erklärt Adriane Rinsche. „Darüber hinaus können mit EUCAM erworbene Qualifikationen auf europäischer Ebene verglichen werden.“

Allein bei DaimlerChrysler fallen nach Angaben der IG Metall jährlich Übersetzungskosten in Höhe von 28 Millionen Euro an, davon ein Großteil in Technik und Fertigung. „Wenn wir mit Hilfe von EUCAM Sprachbarrieren überwinden, können wir Kosten senken, wovon auch DaimlerChrysler einen ernstzunehmenden Benefit hat“, sagt Michael Ehrke. „Außerdem erkenne ich ein ganz anderes Verhältnis zur Weiterbildung, sowohl bei den Arbeitgebern, als auch bei unseren Leuten.“ Schließlich könnten die Vorgesetzten nun genau identifizieren, wie die Beschäftigten gezielt nutzenstiftend weiterqualifiziert werden können, da sich die Qualifizierung an der Prozesskette orientiere.

Nach der Einführungsphase werde sich ein Konsortium bilden, dass EUCAM auch an andere Automobilhersteller  und Produktionsbetriebe in verschiedenen Branchen vertreibt. Neben DaimlerChrysler, LTC und der IG Metall sind die European Metalworkers Federation (EMF), die Softwareberatungsgruppe Infoman, die Dekra Akademie, EDAG Hungary Kft und UAB LKSoft Baltic an der Entwicklung von EUCAM beteiligt.

Stephan Balling
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